3. "Die Philosophie gleicht einem Tempel mit hundert Eingängen" (Kirchmann 1877)

In der dritten Abteilung der Ausstellung wird der Gründervater der Philosophischen Bibliothek genauer betrachtet: Wer war Julius Herrmann von Kirchmann eigentlich, welchen Beruf übte er aus? Welches Konzept sah für die Philosophische Bibliothek vor und was war seine philosophische Überzeugung?
Außerdem wird eine Auswahl von neun Herausgebern präsentiert, welche für die Entwicklung der Reihe im frühen 20. Jahrhundert eine prägende Rolle spielten.

J. H. v. Kirchmann: Der Katechismus der Philosophie, 4. Auflage, Leipzig: Weber 1897 [UBL: 458-ym]

Der erste Herausgeber - Julius Hermann von Kirchmann
Julius Hermann von Kirchmann (1802-1884) studiert Rechtswissenschaften in Halle und Leipzig und ist anschließend in mehreren staatlichen Positionen tätig, u. a. als Berliner Staatsanwalt. Er gehört als Abgeordneter im preußischen Landtag dem linken Zentrum an. Später ist er im Reichstag zehn Jahre lang bis 1877 Vertreter der Fortschrittspartei. Dann verliert er sein Mandat, weil er als Protestant im Kulturkampf die katholische Kirche verteidigt. Kirchmann ist ein eigensinniger und vielseitig gebildeter Kopf, der sich als Jurist und Politiker viele Feinde macht. In seinen letzten Lebensjahren wirkt er publizistisch als Philosoph und Philosophievermittler.
Ab 1864 veröffentlicht Kirchmann philosophische Werke, sowohl eigene (u. a. Philosophie des Wissens, 1864; Katechismus der Philosophie, 1877 und 1881), als auch Kommentare zu anderen Autoren, dies vor allem in der von ihm 1868 begründeten Schriftenreihe Philosophische Bibliothek.

Kirchmann als Abgeordneter des Preußischen Landtags (Teil eines Gruppenportraits), in: Illustrirte Zeitung 39 (1862), S. 149 [UBL: Dt.Zs.1077-1862]

Zum Konzept der Philosophischen Bibliothek
Für Kirchmann soll die an den Universitäten gepflegte Geschichte der Philosophie keinesfalls die Stimme der Philosophen übertönen. Er ist für das Original und lehnt auch Handbücher ab. Die Werke der hervorragendsten Männer seien "im Laufe der Jahrhunderte zu einer Bibliothek für sich angewachsen, deren vollständiges und dabei gründliches Studium auch dem begabtesten Kopfe kaum möglich ist", konstatiert Kirchmann und setzt fort: "Die Philosophie gleicht einem Tempel mit hundert Eingängen, die alle gleich sicher zu dem Innern führen, sofern man sich nur nicht von den Schwierigkeiten abschrecken läßt, die im Beginn dem Eintritte sich entgegenstellen". (Der Katechismus der Philosophie, S. 18)
Der Philosophoschen Bibliothek liegt auch eine Bildungskonzeption zugrunde. Zum einen geht es um Bibliothek statt Geschichte, um Reihung der Ansichten statt einer zeitlichen Entwicklung des Denkens. Zum anderen ist die Gegenüberstellung von Ansichten innerhalb der Bibliothek wichtig: Der Kontrast soll erhellen, die Verschiedenheit anreizen. Zur Idee einer Philosophischen Bibliothek gehören damit nach Kirchmann wesentlich die Vorstellung einer Zeitgenossenschaft der Texte und die Gewissheit, daran gedankliche Positionen festmachen zu können. Seine Philosophische Bibliothek bildet gleichsam ein Parlament unterschiedlicher Meinungen, die alle geprüft werden müssen.

Ein Prospekt vom Juni 1930 wirbt für die entstehende Plotin-Ausgabe in der Philosophischen Bibliothek und fordert zur Subskription auf. [UBL: NL 319/1/122/3]

Das Bildmaterial kann für private Zwecke und für die journalistische Berichterstattung über die Ausstellung gerne verwendet werden. Als Quelle geben Sie bitte © 2014 Universitätsbibliothek Leipzig an.