Zum Thema der Ausstellung

Mit dem Ausdruck „Judentümer“ wird hier eine breite Beschäftigung mit jüdischer Kultur, Sprache, Wissenschaft und Geschichte in den Blick genommen, die in der Frühen Neuzeit, also vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, in Europa intensiv war. Bereits die bloße Anzahl der Schriften, die insbesondere das 17. und 18. Jahrhundert zu den verschiedensten jüdischen Themen hervorgebracht haben, sorgt für Erstaunen, aber auch für eine gewisse Ratlosigkeit im Umgang mit ihnen. Unsere heutige differenzierte Redeweise von "jüdisch", "hebräisch" oder "orientalisch" passt schlecht auf die umfassenden Interessen unserer Vorfahren, ebenso wenig wie die Gegenstandsbereiche Geschichte, Literatur, Recht, Wissenschaft, Esoterik damals streng zu trennen sind. Darum also hier der offenere Begriff „Judentümer“, in Abwandlung von Jacques Derridas Wortschöpfung.

Die Ausstellung lädt zu einer Entdeckungsreise in die Wissenskultur der Frühen Neuzeit ein und macht Vorschläge, die auf der Reise gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse zu ordnen. Dabei spielen drei Perspektiven eine Rolle: Einmal die allgemeine Wissenskultur und die Rolle der Judentümer darin. Worin bestand diese und welche Ordnungen in der Welt der jüdischen Kultur und Tradition wurden artikuliert? Zum Zweiten die Transformation dieses Interesses im Sinne einer Rationalisierung, eines Umbruchs von der Vormoderne zur Moderne. Wie weit haben die moderne empirische Kritik, die Verfachlichung und Professionalisierung den Gegenstand "Judentümer" verändert? Und drittens: Was hat das alles mit Leipzig zu tun?

Die Ausstellung konzentriert sich auf Leipzig, weil hier eine nach Alter, Größe und Bedeutung höchst wichtige Universität beheimatet ist, die schon in der Frühen Neuzeit, also weit vor dem Beginn der "Wissenschaft des Judentums" im 19. Jahrhundert, nachdrücklich und in großem Umfang viele Fragen der jüdischen Kultur behandelte.

Leipzig ist aber nicht nur wegen seiner Universität in dieser Hinsicht wichtig, sondern auch als Messestadt, die regelmäßig eine große Menge jüdischer Handelstreibender in die Stadt an der Pleiße brachte, in der lange Zeit – viel länger als anderswo im Römisch-Deutschen Reich – den Juden eine Ansiedlung untersagt war.

Heute besitzt die Universitätsbibliothek Leipzig viele aussagekräftige Zeugnisse einer frühen Beschäftigung mit Judentümern. Zwar war die Universitätsbibliothek in früheren Jahrhunderten kein Archiv der Wissensproduktion, es haben aber spätere Sammlungen und Ankäufe sie zu einem gut bestückten Fundus werden lassen, aus denen die Ausstellungsmacher schöpfen können.